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"Die Dinge sind nie so wie sie sind. Sie sind immer das, was man aus ihnen macht."
Jean Anouilh
 
  
 
 
 
 

 
 
Schulen der Familientherapie


1. Die strukturelle-strategische Familientherapie

Deren Hauptprotagonisten sind S. Minuchin und J. Haley. Besonderen Wert legt Minuchin auf die Grenzen familiärer Subsysteme und deren Herstellung und Erhaltung sowie auf eine klare Regelung der Hierarchie, bei der die elterliche Verantwortung und Entscheidungskompetenz das System sichert. Die "family map" oder "Beziehungslandkarte" als diagnostisches Instrument zur Hypothesenbildung, der Umgang mit Allianzen und Rollen, das Arbeiten mit und durch Subsysteme, die Arbeit an Grenzen, der Umgang mit Koalitionen und die Triangulation, gehören auch heute noch zu den hilfreichen Techniken und Ideen in der Familientherapie. In den letzten Jahren hat die strukturelle Familientherapie durch ihren eher normativen Ansatz an Bedeutung verloren. Neben Minuchin zählen Haley, H. Aponte, C. Madanes und Andolfi zu den prominenten Vertretern dieser Richtung.

2. Die psychoanalytisch orientierte Familientherapie

wurde vor allem durch N. Ackermann, J. Framo, I. Boszormenyi-Nagy,. M. Bowen, L. Wynne und in Deutschland durch Helm Stierlin vertreten. Auch die Mailändergruppe um Mara Selvini-Palazzoli gehören in ihren Anfängen zu dieser Richtung. Besonders bekannte Stichworte dieser Richtung sind die Dynamik von Bindung und Ausstoßung, die Delegationen, der Versöhnungsdialog, die unsichtbaren Loyalitäten zwischen den Generationen und die bezogene Individuation. Zu den Ideen und Techniken gehören die unterschiedlichsten Fragekonzeptionen sowie die Arbeit mit dem Genogramm die sich auch heute in der Famlientherapie und systemischen Therapie wiederfinden. Ferner gebührt der psychoanalytisch orientierten Familientherapie der Verdienst, daß eine Rückbesinnung auf die Person (versus System), also die personenzentrierte Systemtheorie und Praxis, heute wieder mehr Bedeutung gewinnt.

3. Die wachstums- erlebnisorientierte Familientherapie

gilt als die dritte große historische Schule. Die Hauptvertreterin dieses Ansatzes ist Virginia Satir. Die Entwicklung und Steigerung von individuellem und familiärem Selbstwert, die Kommunikationsmodelle in der Familie und die gegenseitige Wertschätzung und Kongruenz waren dabei wichtige Faktoren. Die "Parts Party", die Familienrekonstruktion, die Arbeit mit Metaphern, Meditation, Tranceinduktion und vor allem die Familienskulpturen sind Techniken, die auch heute noch in der Familientherapie angewendet werden.

Neben den geschilderten Schulen der Familientherapie sind die Arbeiten des Mental Research Institutes in Palo Alto zu nennen. Hier arbeiteten neben dem Vordenker Gregory Bateson, Virginia Satir, Paul Watzlawick, J. Haley. Ihre Arbeiten wurden auch durch die therapeutischen Ideen von Milton H. Erickson mitgeprägt. Die Arbeiten des MRI hatten gerade in den ersten Jahren großen Einfluss auf das Mailänder Modell. Von vielen systemischen Therapeuten werden die späteren Entwicklungen der Mailänder Gruppe als die "Wiege der systemischen Therapie" bezeichnet. Aus ihrer Arbeit entwickelte sich das Hypothetisieren, die Idee der Zirkularität und die zirkulären Fragen, die Anfänge des Zwei-Kammer-Systems, die paradoxen Verschreibungen, Familienrituale u.a.(Selvini Palazzoli u.a.1977,1982, 1992). Nach der Trennung des Teams entwickelten sich Boscolo und Ceccin in Richtung Konstruktivismus und "Kybernetik 2. Ordnung". (Boscolo u.a. 1988 u. 1994)

4. Neuere Entwicklungen

Die familientherapeutischen Modelle wurden in ihrer Grundlage einer neuen Befragung durch die sogenannte "Kybernetik 2. Ordnung" unterzogen. Die Familientherapie ging davon aus, daß die Familie im Sinne der Systemtheorie ein organisiertes Gebilde ist, welches durch die Therapie bzw. durch den Therapeuten beeinflußt und verändert werden kann. Durch die Kybernetik 2. Ordnung wurde diese Ideen kritisch hinterfragt, da sie nicht die Rolle desjenigen berücksichtigt, der die Familie als System beschreibt. Der Beobachter bzw. der Therapeut wurde nicht in die Überlegungen miteinbezogen. Durch die Kybernetik 2. Ordnung fing die systemische Therapie an, sich selber systemisch zu begreifen und das bedeutete vor allem, daß der Therapeut Teil des Therapiesystems ist und kein neutraler Beobachter.

Tom Andersen versuchte mit der Entwicklung des "Reflecting Team" die Kybernetik 2. Ordnung ernst zu nehmen und in praktisches therapeutisches Handeln umzusetzen. Sein "Reflecting Team" veränderte die machtvolle Position der Therapeuten, wie sie im klassischen Mailänder Modell oder in den strukturellen Ansätzen üblich war. Das Reflecting Team sieht Therapie als eine Form von Kooperation zwischen Therapeutenteam und Familie. Je besser die Kooperation funktioniert um so eher können Lösungen für aktuelle Probleme entwickelt werden. Seine kleine Revolution gegenüber den Mailänder Ideen war, daß die Familie den Therapeutendialog hinter dem Einwegspiegel ebenso beobachten und mithören kann, wie vorher die Beobachter am therapeutischen Dialog des Therapiesystems teil hatten.

Der Konstruktivismus geht mit seinen Überlegungen in eine ähnliche Richtung und noch deutlicher der soziale Konstruktionismus. Beide Theorien betonten, daß die Realität nicht das ist, für was wir sie halten oder was sie zu sein scheint, sondern eine soziale Konstruktion der Akteure. In diesem Verständnis wird Therapie weniger als eine Möglichkeit gesehen Menschen oder Systeme bewußt und zielgerichtet in eine Richtung zu verändern, sondern vielmehr als ein Rahmen definiert in dem Veränderungen möglich werden.

Eine weitere Entwicklung in den letzten Jahren sind die narrativen Ansätze, die vor allem mit dem Namen M. White, H. Anderson u. H. Goolishian in Verbindung gebracht werden. Die lösungsorientierte Kurzzeittherapie von Steve de Shazer ist eine weitere Entwicklung. Seine Ideen beruhen vor allem darauf, den Fokus der Aufmerksamkeit von der "Problemfokussierung" auf die "Lösungsfokussierung" zu verändern. Eine zentrale Aussage ist: Reden über Probleme schafft Probleme und Reden über Lösungen kreiert Lösungen. Entsprechend viel wird in seinen Ansätzen über Lösungen gesprochen.

Die letzten Jahre familien- und systemtherapeutischer Diskussion sind weniger durch Erfinden neuer revolutionärer Ideen und Methoden gekennzeichnet als vielmehr durch die Evaluation familientherapeutischen Arbeitens und durch vielfältigste Methoden-Integration. Seit den 80 er Jahren verschwinden die Schulenunterschiede zusehends. Integrative Modelle, Haltungen, Technik und Interventionen sind üblich und zu einer bunten Landschaft geworden.

Die Weiterentwicklung läßt sich am ehesten mit A. von Schlippe und J. Schweitzer(1996) wie folgt unterteilen:

  • Die Klassischen Modelle (Strukturelle Famth., Mehrgenerationen Modell, erlebnisorientierte Famth., Strategische Famth., u. die systemisch-kybernetische Famth.)
  • Kybernetik 2. Ordnung (Systemisch-konstruktivistische Therapie, Reflecting Team)
  • Narrative Ansätze (Therapie: konstruktive und hilfreiche Dialoge, Therapie als Dekonstruktion, Lösungsorientierte Kurz-Therapie).

Sie alle bilden gegenwärtig die Grundlagen der FT/FB. Heute ist die Zeit der großen neuen Entwürfe und Therapiekonzepte vorbei. Die Gründerpersönlichkeiten der familientherapeutischen systemischen Schulen haben ihren Platz gefunden und die Zeit der Konsolidierung ist angebrochen. Die FT/FB muß in der Vielfalt und Unterschiedlichkeit der therapeutischen Schulen einen eigenen Platz finden. Dazu gehört sowohl, die eigene Effektivität als psychotherapeutische Richtung unter Beweis zu stellen als auch sich mit unterschiedlichsten Störungsbildern auseinanderzusetzen.


Autor: Reinert Hanswille                                                         Letzte Änderung: 20. August 2019
Leitung ifs
Institut für Familientherapie, Systemische Supervision und Organisationsentwicklung

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